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Künstliche Intelligenz zur Pandemiebekämpfung

Von Nils Fleischmann am 03. November 2022

Die Corona-Pandemie hat Deutschland unvorbereitet getroffen. Und das mit schwerwiegenden Folgen: die hohe Anzahl an Infizierten brachte Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenze, die Arbeit aus dem Homeoffice stellte Betriebe vor neue Herausforderungen und die Ausgangsregeln schränkten uns in unserem alltäglichen Leben ein. Während es aktuell so scheint, als sei das Schlimmste überstanden, warnen Virologen bereits vor der nächsten Pandemie; das Mantra lautet: Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Deshalb stellt sich die Frage, wie wir in der Zukunft besser auf Pandemien vorbereitet sein können? Künstliche Intelligenz (KI) könnte für die Bekämpfung zukünftiger Pandemien eine wichtige Rolle spielen. In diesem Blogeintrag möchte ich am Beispiel von Corona der Frage nachgehen, in welchen Bereichen uns KI heute schon helfen kann und welche Ansätze es für den Einsatz von KI in der Pandemiebekämpfung gibt.

1. Modellierung des Infektionsgeschehens

Die Corona-Fallzahlen spielen eine wichtige Rolle in der Pandemiebekämpfung, schließlich sind sie in den meisten Ländern verfügbar und geben einen Überblick über das Infektionsgeschehen und dessen Entwicklung. Nicht ohne Grund wurden sie häufig für politische Entscheidungen herangezogen. Zuverlässige Prognosen können Entscheidungsträgern dabei helfen, vorausschauend zu agieren und intelligente Maßnahmen zu ergreifen. Das Gebiet der Künstlichen Intelligenz umfasst ein breites Spektrum an Algorithmen, welche sich zur Vorhersage solcher Zeitreihendaten eignen.

Von simplen ARIMA Modellen, über Komponentenmodelle wie Prophet bis hin zu komplexen LSTM-Netzwerken gibt es eine Vielfalt an aussichtsreichen Optionen. Die meisten dieser Algorithmen lassen darüber hinaus Rückschlüsse zu; zum Beispiel, wie sich verschiedene Faktoren auf die Entwicklung der Fallzahlen auswirken. Das Start-up BlueDot stellte das Potenzial von KI bei der Vorhersage von Pandemien eindrucksvoll unter Beweis. So erkannte BlueDots KI-getriebene Plattform bereits am 30. Dezember 2019 eine Häufung ungewöhnlicher Lungenentzündungsfälle in Wuhan – 9 Tage bevor die WHO erstmals vor dem Coronavirus warnte (Z. Allam 2020). 

2. Diagnose von Erkrankungen

Eine frühzeitige Diagnose von COVID-19 kann dabei helfen, Übertragungen einzudämmen und ermöglicht die rechtzeitige Behandlung von Hochrisikopatienten. Deswegen braucht es Methoden, um die Erkrankung möglichst früh und zuverlässig zu erkennen. Für diese Aufgabe erweisen sich Algorithmen aus dem Teilbereich des maschinellen Sehens als sehr aussichtsreich. Diese erzielen in ähnlichen Anwendungsfällen, wie der Erkennung einiger Krebsarten, bereits bessere Ergebnisse als menschliche Experten.

Mit lediglich 4000 CT-Scans gelang es einer chinesischen Forschungsgruppe im Jahr 2020 eine KI zu trainieren, welche in der Lage war, COVID-19 in 94 % der Fälle richtig zu erkennen und von verwandten Erkrankungen zu unterscheiden (Li et al. 2020). Aufgrund des vergleichbar hohen Preises und Aufwands eignen sich diese Verfahren noch nicht für den breiten Einsatz. Sie können aber in einzelnen Fällen dabei helfen, die Schwere einer COVID-19 Erkrankung frühzeitig vorherzusagen. 

3. Identifikation von effektiven Medikamenten

Die Todesfälle im Zusammenhang mit Corona zeigen, wie dringend eine effektive Behandlung der Krankheit benötigt wird. Ein Baustein für eine solche Behandlung könnten wirksame Medikamente sein. Allerdings dauert es vom Beginn der Forschung bis hin zur Markteinführung eines neuen Medikaments in der Regel mehrere Jahre. Ein weitaus vielversprechender Ansatz besteht darin, bereits bestehende Medikamente ausfindig zu machen, die bei der Behandlung von COVID-19 helfen können. Doch die Auswahl an möglichen Medikamenten ist nahezu endlos und es fehlt schlichtweg die Zeit, um alle Medikamente auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Bei der Bestimmung aussichtsreicher Kandidaten kommt mittlerweile vermehrt KI zum Einsatz. Auf Basis einiger Eigenschaften der Krankheit, ist KI in der Lage, aussichtsreiche Medikamente in Datenbanken zu ermitteln, welche daraufhin von Forschern weiter untersucht werden können.

4. Vorhersage des Krankheitsverlaufs und Identifikation von Risikofaktoren

Corona stellte das Gesundheitswesen weltweit vor eine Belastungsprobe. So fehlte es vielen Krankenhäusern an Beatmungsgeräten und Intensivbetten. Um solch knappe Ressourcen effizient zu allokieren, ist es entscheidend, die Patienten zu identifizieren, die einen schweren Krankheitsverlauf zu erwarten haben. Für diese Problemstellung eignen sich insbesondere Algorithmen aus dem Bereich der Erklärbaren Künstlichen Intelligenz. Diese sind in der Lage, auf Basis von Faktoren wie Vorerkrankungen, Blutwerten und Symptomen die Schwere einer Erkrankung vorherzusagen und geben dabei Einblicke in ihren Entscheidungsprozess. 

Die Algorithmen können medizinischem Fachpersonal dabei helfen, die Krankheit besser zu verstehen und infolgedessen zielgerichteter zu behandeln. So gelang es einem Forschungsteam, auf Basis der ersten medizinischen Daten aus Wuhan einen Entscheidungsbaum zu trainieren, welcher tödliche Krankheitsverläufe mit einer Genauigkeit von 90 % vorhersagen konnte (Yan et al. 2020). Der Entscheidungsbaum gibt dabei konkrete Regeln vor, die für medizinisches Fachpersonal zu verstehen sind und sich in der Praxis anwenden lassen. Darüber hinaus identifizierte der Algorithmus das Enzym LDH als wichtigen Biomarker für einen schweren COVID-19 Verlauf; ein Ergebnis, zu dem auch andere Studien kamen. 

Fazit:

Die Einsatzmöglichkeiten von KI bei der Pandemiebekämpfung sind breit gefächert. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, KI zur Lösung in den jeweiligen Gebieten einzusetzen. Dies verdeutlicht, wie vielseitig KI und seine Anwendungen sind. Einige der vorgestellten Ansätze befinden sich aktuell noch in ihren Kinderschuhen. Es ist allerdings zu erwarten, dass die stetig wachsende Anzahl an verfügbaren Daten immer ausgefeiltere KI-Algorithmen hervorbringen wird. Diese könnten in Zukunft in der Lage sein, einen wesentlichen Beitrag bei der Bekämpfung von Pandemien zu leisten

Quellen:

Li et al.: Using Artificial Intelligence to Detect COVID-19 and Community-acquired Pneumonia Based on Pulmonary CT: Evaluation of the Diagnostic Accuracy. In Radiology, Band 296, 2. Aufl., 2020, S.E65-E71. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32191588/)

Yan et al.: An interpretable mortality prediction model for COVID-19 patients. In: Nature Machine Intelligence, Band 2, Ausgabe 5, 2020, S. 283-288. (https://www.nature.com/articles/s42256-020-0180-7)

Z. Allam.: The Rise of Machine Intelligence in the COVID-19 Pandemic and Its Impact on Health Policy. Surveying the Covid-19 Pandemic and its Implications. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7378493/)

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